@article{Busslinger_Modena_Raveane_Weilenmann_Wuhrmann_2007, title={Editorial}, url={https://www.psychoanalyse-journal.ch/article/view/jfp.48.1}, DOI={10.18754/jfp.48.1}, abstractNote={<p class="bodytext">Liebe Leserinnen und Leser</p><p class="bodytext">die Zeiten ändern sich … Als die Redaktion im Frühjahr 2006 den Herausgebervertrag mit dem Psychosozial-Verlag auf Ende des Jahres kündigte, konnte sie nicht ahnen, was in diesem Jahr noch alles auf sie zukommen würde. Von unseren Freunden von Psychosozial haben wir uns im Guten getrennt, da in den vorausgegangenen Jahren klar geworden war, dass der Verlag nicht in der Lage war, im deutschsprachigen Raum wirksam für die Zeitschrift zu werben (wie vertraglich vereinbart worden war). Damit stimmte das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht mehr.</p><p class="bodytext">Dann kam es schlimmer: Die letztjährige neue Seminarleitung entdeckte für das gesamte Seminar ein dringendes Sparbedürfnis und setzte an der Budget-Teilnehmerversammlung im Sommer als erste Massnahme die Kürzung des Zeitschriftenbudgets auf die Hälfte durch. Die Redaktion rekurrierte gegen diesen Beschluss an das gesamte Seminarkollektiv in einer Urabstimmung – und sah sich im Herbst in die Minderheit versetzt. Der Schock war gross. War es ein Misstrauensvotum? Sollten wir gesamthaft zurücktreten? Doch merkwürdigerweise wurde nicht unsere redaktionelle Arbeit kritisiert oder gar in Frage gestellt (ausser von vereinzelten Stimmen), im Gegenteil: Gerade das zuletzt erschienene Schwerpunktheft zum Morgenthaler-Kongress (Nr. 45/46) stiess auf breite Zustimmung. Und auch mit dem nachfolgenden Heft zur Ethnopsychoanalyse (Paul Parin zum 90. Geburtstag gewidmet) war man zufrieden. Nein, der Mehrheit war schlicht und ergreifend der Preis für ein zwei Mal jährlich erscheinendes Heft zu hoch (16 000 Euro bei einem sich zu Ungunsten des Frankens entwickelnden Wechselkurs plus weiteren Spesen). Man wollte und man sollte sparen.</p><p class="bodytext">Wir fragten uns: Hatte der neoliberale Zeitgeist nunmehr auch das letzte Bollwerk der psychoanalytischen Linken geschleift? Wie dem auch sei, die Redaktion wollte weiterhin ein lebendiges Heft und kein museales Jahrbuch produzieren. Aber wie? Ausserdem hatten wir auf Ende 2006 noch zwei weitere Probleme zu verkraften. Unser Kollege der ersten Stunde, Thomas Merki (der unter anderem unsere Website eingerichtet und betreut hatte – vielen Dank!), fand im Vorstand des Schweizerischen Psychotherapie-Verbandes keine Zeit mehr zur Mitarbeit am «Journal für Psychoanalyse» und sah sich zum Rücktritt gezwungen. Und es war absehbar geworden, dass unser als nächster vorgesehener Schwerpunkt – zur Psychoanalyse in den Übergangsgesellschaften Osteuropas – nicht fristgerecht zu Stande kommen würde.</p><p class="bodytext">Wir machten uns nach dem ersten Schock auf die Suche nach neuen Partnern und stiessen rundum auf Interesse. So bei den anderen selbstverwalteten Seminarien in Bern und Luzern und bei der Europäischen Föderation für Psychoanalytische Psychotherapie (EFPP) in Basel. So auch beim Seminar für Gruppenanalyse Zürich, dem SGAZ. Und wir fanden einen neuen Verlag, einen ganz besonderen: den Seismo Verlag in Zürich. Seismo ist zwar als eine Aktiengesellschaft strukturiert, befindet sich aber mehrheitlich im Besitz der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, ist wissenschaftlich und gesellschaftskritisch ausgerichtet und nicht profitorientiert. Neben einer ansehnlichen Buchproduktion gibt er bereits drei andere Zeitschriften heraus: die Schweiz. Zeitschrift für Soziologie, die Schweiz. Zeitschrift für Soziale Arbeit und TSAnTSA, die Zeitschrift der Schweiz. Ethnologischen Gesellschaft. Wir fühlten uns in diesem weniger psychoanalytisch und mehr kulturkritisch orientierten Umfeld am richtigen Platz. Und last but not least: Wir fanden eine neue Redaktions-kollegin: Sonja Wuhrmann – herzlich willkommen!</p><p class="bodytext"><strong>Zu diesem Jubiläums-Heft</strong></p><p class="bodytext">Der Dialektik von Institutionalisierung und Des-Institutionalisierung, bzw. umgekehrt, verdankt das Psychoanalytische Seminar Zürich (PSZ) seine Existenz, seit es sich 1977 von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoanalyse (SGP) losgelöst hat. Ein basisdemokratischer Verein – pardon, immer noch eine «einfache Gesellschaft» – mit an die 450 zahlenden TeilnehmerInnen, das grösste und wohl wichtigste psychoanalytische Seminar in der Schweiz, weltweit das vermutlich einzige selbstverwaltete psychoanalytische Kollektiv dieser Grössenordnung – immer noch ohne Zulassungsbeschränkungen und Prüfungsordnungen für das Studium der Freud’schen Psychoanalyse. Spieglein, Spieglein an der Wand … Die Redaktion hält dem PSZ als Geschenk zu seinem 30. Geburtstag den ewig gleichen Spiegel vor: Institutionalisierung/Des-Institutionalisierung! Wird es sich darin erkennen? Die Ängste sind angesichts der vergangenen Dekaden mit ihrem Freud-Bashing, dem unaufhaltsamen Aufstieg der Neurowissenschaften und der Etablierung der Psychotherapeutengesetze gross. Wir haben uns deswegen entschlossen, drei «alte» Texte aus unserem Archiv (diejenigen von Erdheim, Modena und Weilenmann, die uns aber weiterhin als brandneu erscheinen) mit vier neuen Arbeiten und einer in ihrer Suche nach Wahrheit und in ihrer Direktheit fast schmerzlich berührenden Diskussion über Vergangenheit und Zukunft des PSZ zu konfrontieren.</p><p class="bodytext">Mario Erdheim erinnert an das jederzeit mögliche verenden einer Institution, wenn ihr der kulturkritische Stachel abhanden kommt, Berthold Rothschild analysiert schonungslos die derzeitige psychiatrische Institution (in welcher die psychotherapeutische immer noch eingebettet ist), Emilio Modena zeichnet anhand einer kritischen Auseinandersetzung mit den strukturellen Bedingungen der psychoanaly-tischen Ausbildung die Erfolgsgeschichte der Des-Institutionalisierung nach, Sonja Wuhrmann untersucht die Wahlverwandtschaften von individuell- und gruppenanalytischer Institution sowie von Institutionalisierung und Basisdemokratie, Christian Geiger diagnostiziert einen Wiederholungszwang, den er auf die traumatisierende Abspaltung des PSZ von der SGP zurückführt, Markus Weilenmann untersucht in einer Streitschrift die Ursachen der Entpolitisierung am PSZ und geht auf die verbreitete Neigung ein, institutionelle Regeln als etwas dem Wesen der Psychoanalyse Fremdes darzustellen, und Thomas Kurz führt seine historische Spurensuche weiter, wie es in der SGP wirklich war, bevor das PSZ 1958 gegründet worden ist. Sylvia von Arx, Olaf Knellessen, Monika Leuzinger und Peter Passett diskutieren endlich über Perspektiven und Chancen einer radikal verstandenen Psychoanalyse in Zeiten ihrer Hegemonisierung durch die Psychotherapie.</p><p class="bodytext">Im Forum finden Sie nebst zwei Buchbesprechungen das Grundlagenpapier der Akkreditierungsgruppe für die psychotherapeutische Weiterbildung, einen Text zum Jubiläums-Preisausschreiben des PSZ und zwei Kurzbeiträge zu den Verhältnis-sen an den psychoanalytischen Seminarien in Bern.</p><p class="bodytext">Insgesamt keine leichte oder bequeme Lektüre, aber vielleicht doch ein not-wendiger selbst- und kulturkritischer Stachel. Viel Vergnügen! Das rauschende Seminarfest zum 30. Jubiläum und die Preisverleihung finden am 1. Dezember statt.</p><em>Die Redaktion</em>}, number={48}, journal={Journal für Psychoanalyse}, author={Busslinger, Gregor and Modena, Emilio and Raveane, Claudio and Weilenmann, Markus and Wuhrmann, Sonja}, year={2007}, month={Dez.}, pages={3–5} }